Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft
Mit Schreiben vom 26.5.2017 (Aktenzeichen III C 2 – S 7105/15/10002, DOK 2017/0439168) hat die Finanzverwaltung Konsequenzen aus der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft gezogen und praxisrelevante Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vorgenommen.
Die Finanzverwaltung erkennt organisatorisch und wirtschaftlich eingegliederte Personengesellschaften mit der Rechtsprechung als Organgesellschaften an, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.
Die Anforderungen an die organisatorische Eingliederung sind präzisiert und der Rechtsprechung angepasst worden. Erforderlich ist, dass der Organträger seinen Willen in der Gesellschaft durchsetzen kann (es reicht nicht mehr aus, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung ausgeschlossen ist). Besteht keine Personenidentität der Geschäftsführung, erfordert die organisatorische Eingliederung wie bisher, dass der Organträger „durch schriftlich fixierte Vereinbarungen“ in der Lage ist, „gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen“; es wird jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung klargestellt, dass entsprechende Vereinbarungen auch im Anstellungsvertrag getroffen werden können.
Insbesondere die Anerkennung der Personengesellschaft als Organgesellschaft kann in der Praxis weitreichende Auswirkungen haben. Hierzu folgende Beispiele:
Beispiel I:
Eine Produktions-GmbH & Co. KG hält sämtliche Anteile an einer Vertriebs-GmbH & Co. KG, deren Tätigkeit auf den Vertrieb der von der Produktions-GmbH & Co. KG hergestellten Produkte beschränkt ist. Es besteht Personalunion hinsichtlich der Geschäftsführung. Nach der neuen Sichtweise besteht zwischen beiden Unternehmen eine umsatzsteuerliche Organschaft insbesondere mit der Folge, dass die Warenbewegungen von der Produktions-GmbH & Co. KG an die Vertriebs-GmbH & Co. KG als nicht steuerbare Innenumsätze umsatzsteuerlich nicht zu erfassen sind.
Beispiel II:
An einer unternehmerisch tätigen GbR ist nur der Organträger neben einer GmbH beteiligt, deren Anteile und Stimmrechte sich zu mehr als 50 % in der Hand des Organträgers befinden.
Beispiel III:
Gesellschafter der GbR sind zwei Kapitalgesellschaften, an denen der Organträger jeweils mehrheitlich beteiligt ist.
Die finanzielle Beherrschung besteht auch bei der klassischen Einmann-GmbH & Co. KG, so dass eine Organschaft entsteht, wenn der Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH und alleinige Kommanditist und Geschäftsführer unternehmerisch tätig und die KG wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.
Beispiel IV:
Der Einmann-Gesellschafter und alleinige Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG vermietet dieser das in seinem Eigentum stehende Betriebsgrundstück.
Hinweis:
Wird eine Struktur auf Grund dieser neuen Sichtweise nun als umsatzsteuerliche Organschaft eingestuft, so gewährt die Finanzverwaltung Vertrauensschutz, weil die zwingende Ausdehnung der Organschaft auf Organpersonengesellschaften erst auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden ist.
Handlungsempfehlung:
Im Einzelfall kann die Herbeiführung oder Verhinderung der umsatzsteuerlichen Organschaft erstrebenswert sein. Eine unerwünschte Organschaft kann verhindert werden, etwa durch geringfügige Beteiligung einer nicht zum Organkreis gehörenden Person an der Personengesellschaft oder Beseitigung der organisatorischen Eingliederung z.B. durch Fremdgeschäftsführung. Ist die Organschaft erwünscht und waren die Voraussetzungen dafür schon bisher erfüllt, erkennt die Finanzverwaltung die rückwirkende Anwendung der neuen Grundsätze dann an, wenn sich die am Organkreis Beteiligten übereinstimmend darauf berufen und soweit sämtliche Steuerfestsetzungen noch änderbar sind.
Hinweis:
Es wird dringend empfohlen, steuerlichen Rat einholen, um zu prüfen, ob im Einzelfall die vorhandene Struktur tatsächlich betroffen ist und welche Auswirkungen sich ergeben.